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© Lars Bergengruen

Interessensgemeinschaften

Der barmherzige Samariter im Weltladen

oder: Wer ist mein Nächster?

Zwei Fromme, die das Gebot der Nächstenliebe kennen, sehen einen Menschen in Not, aber gehen achtlos und gleichgültig an ihm vorbei. Erst der Dritte, ein Ausländer und Andersgläubiger, sieht nicht nur den Hilfsbedürftigen, sondern lässt sich auch von der Not berühren und hilft – bedingungslos und großzügig.

Dass viele Menschen (trotz besseren Wissens und Mitgefühls) gleichgültig wegschauen und sich nicht verantwortlich fühlen, ist altbekannt und zugleich hochaktuell. Wissenschaftler haben erkannt, dass es drei wichtige Kriterien gibt, wann und warum jemand bereit ist zu helfen:

  • Er nimmt sich die Zeit und stellt eigene Interessen und Bedürfnisse hinten an.
  • Er entwickelt Mitgefühl, er hat Mitleid mit dem Verletzten.
  • Er fühlt sich verantwortlich und übernimmt Verantwortung, ohne Ansehen der Person, unabhängig von Geschlecht, Rang, Hautfarbe, Nationalität, Ethnie, Kultur, Religion, und ohne Blick auf den eigenen Nutzen.

Diese drei Kriterien lassen sich auf den Eine-Welt-Laden und den Fairen Handel übertragen. Franz Kamphaus, ehemaliger Bischof von Limburg, sagte einmal zum Gleichnis vom barmherzigen Samariter: „Es genügt heute doch mehr, den unter die Räuber Gefallenen zu verbinden. Auf dem Rückweg von Jericho nach Jerusalem passiert ihm genau dasselbe wieder. Wir müssen die Übel an der Wurzel angehen. Wir müssen die Strukturen der Räuberei freilegen und zu ändern versuchen. Christliche Nächstenliebe hat sich heute im gesellschaftspolitischen Engagement zu bewähren.“ Und die deutschen Bischöfe formulierten bei der Würzburger Synode 1975: „Das Reich Gottes ist nicht gleichgültig gegenüber den Weltmarktpreisen.“

Seit 10 Jahren hilft der Ökumenische Welt-Laden Heiderhof mit, Strukturen der Räuberei zu ändern. Das geht nur, wenn (wie bei einer individuellen Hilfeleistung) die drei wichtigsten Kriterien erfüllt sind: Sich Zeit nehmen. Ganz viel Zeit ist in diesen 10 Jahren in diesen Laden geflossen. Zeit zum Organisieren im Hintergrund. Zeit zum Einkauf und zum Verkauf und Gespräch mit den KundInnen. Zeit bei den zahlreichen Aktionen außer Haus in den Kirchengemeinden, bei Festen und Feiern, Zeit bei Diskussionen über Sinn und Zweck von Eine-Welt-Engagement. Frei-Zeit, um denen zu helfen, die sonst unter die Räuber fallen.

Mitgefühl empfinden. Das ist schwieriger, da die ProduzentInnen, denen die Hilfe zugutekommt, Tausende Kilometer entfernt leben, mit denen man nicht in direktem Kontakt steht. Und dennoch: Auch mit ihnen mitleiden, sie als Mitmensch in den Blick rücken und ihnen ein Gesicht geben. Darum gehört zum Fairen Handel die Information, vielleicht weniger über Zahlen und Fakten, sondern vielmehr über Schicksale, über Menschen, die uns bewegen mit ihrer Lebensgeschichte.

Spüren, fühlen, merken: Ich bin verantwortlich ich bin gefragt. Das gilt für die vielen Helfer, aber auch für die KundInnen. Auf mich kommt es an, ich habe es in der Hand, ob es ein Stück mehr Gerechtigkeit auf dieser Erde gibt. Und ich lasse mich nicht entmutigen, wenn die Fortschritte nur klein und die Erfolge nicht so groß sind, wenn die Skeptiker die Sinnhaftigkeit von Fairtrade anzweifeln und noch immer eine Mehrheit der KonsumentInnen beim Einkauf eher auf „billig“ schaut als auf gerechte Preise und nachhaltiges Handeln.

Allen, die in den letzten 10 Jahren Anderen geholfen haben, bei der Organisation und Gestaltung des Ladens, bei der Planung und Durchführung von (Verkaufs-)Aktionen, durch ideelle und materielle Unterstützung und als KundInnen, Fairtrade zu einem wichtigen Bestandteil kirchlichen Lebens zu machen, will ich danken. Namentlich erwähnen will ich aus dem Kreis der Eine-Welt-Bewegten Hildegard Walbröl, die seit Gründung des Ladens im Weltladen aktiv ist. Ohne sie und die anderen ehrenamtlich tätigen Frauen und Männer gäbe es den Weltladen nicht (mehr), der seit 10 Jahren (als einziger in Godesberg!) sich für Frieden, Gerechtigkeit, Menschenrechte und Bewahrung der Schöpfung einsetzt und so Menschen in der „Dritten Welt“ Überlebenschancen und Zukunftsperspektiven gibt. Danke für 10 Jahr Zeit, Mitgefühl und Verantwortung auch im Namen der Menschen, die wir meist nicht im Blick haben oder übersehen.

P.S. Wer ist mein Nächster? Für Jesus ist die Frage falsch gestellt. Statt zu definieren, wer noch mein Nächster ist und wer nicht, fragt Jesus: Wer ist dem, der in Not war und Hilfe benötigte, zum Nächsten geworden? Dem Notleidenden zum Nächsten werden: nehmen Sie sich Zeit, empfinden Sie Mitgefühl und übernehmen Sie Verantwortung – vielleicht indem Sie im Weltladen einkaufen oder mitarbeiten.

(Joachim Schick – Leiter des Weltladens)


Öffnungszeiten und Kontakt

Weltladen Heiderhof – eine gute Adresse
Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag 16.00–18.00 Uhr
Kontakt: joachim001schick.gmail.com
Freitags „In den Laden eingeladen“ zu Kaffee, Tee, Knabbereien, Produktpräsentation und Gesprächen


Bild: © privat